Versöhnung mit dem Schweinehund
Warum fällt es uns leichter im Frühjahr abzunehmen, unser Heim gründlich zu putzen, und mehr Sport zu betreiben? Warum nehmen wir uns gerade zu dieser Jahreszeit so viele neue Vorsätze zu Herzen, obwohl wir insgeheim wissen, dass wir es – wie schon die Jahre davor – eh wieder nicht schaffen werden? Dennoch ist kurzfristig die Motivation so groß, dass wir glauben, diesmal unser Ziel zu erreichen. Spätestens zu Sommerbeginn, wenn die Bikinifigur doch nicht so gelungen ist und wir immer noch über unseren alten Kram stolpern oder mit unserem Verhalten wieder nicht zufrieden sind, haben wir wieder unsere Bestätigung: „ich hab´s ja probiert, aber ich schaff das halt nicht“ Glaubensätze, wie „ich bin zu dumm“, „ich kann xxx nicht“ sind tief verankerte Überzeugungen, die uns immer wieder dazu bringen uns selbst die Bestätigung genau dafür zu erfahren.
Starke Impulse von außen können kurzfristig diese inneren Überzeugungen übertönen, sozusagen soweit in den Hintergrund drängen, dass wir uns stark genug fühlen, diese inneren Stimmen des Zweifels zu übergehen. Zu Jahresbeginn ist dieser Impuls besonders intensiv, da zu dieser Zeit mehrere motivierende Faktoren zusammen spielen. Erstens hat ein Beginn immer eine besondere Dynamik, zweitens werden die Tage länger, drittens sind die für viele anstrengenden Feiertage endlich vorüber und das Wichtigste: es betrifft uns alle. Daher entsteht es eine Art Gruppeneffekt, der die positive Energie enorm stärkt.
Was können wir also tun, um uns nicht von dieser trügerischen Dynamik unreflektiert mitreißen zu lassen um am Ende nur wieder von uns enttäuscht zu sein?
Erstens sollten wir, bevor wir uns in neue Abenteuer stürzen, mit unserem treuen inneren Schweinehund Frieden schließen. Schließlich begleitet er uns schon viele Jahre und hat uns in vielen Situationen beschützt. Auch wenn uns das meistens nicht bewusst war, oder ist. Er ist ein Teil von uns, der es, wie jeder Beschützer, immer nur gut mit uns gemeint hat. Oder anders gesagt: wir fangen endlich an uns so anzunehmen wie wir sind! Erst dann ist es uns möglich herauszufinden, was wirklich unser innerstes Bedürfnis ist. Vielleicht erkennen wir, dass es uns gar nicht wichtig ist, ob der Wäschekasten pikobello in Reih und Glied aufgeräumt ist, wir uns nur damit stressen „weil sich das so gehört“ und es uns viel mehr bedeuten würde ein gutes Buch zu lesen? Vielleicht erkennen wir, das Schüchtern-Sein durchaus auch seine Vorteile hat? Vielleicht fällt es uns dann endlich auf, dass die Gelüste auf Süßes eigentlich der Hunger nach ganz etwas anderem sind?
Ehrlich sein zu sich selbst kann oft hart sein. Liebevoll mit sich umzugehen umso mehr! Ich halte nicht viel von positiven Affirmationen, die uns unser Unterbewusstsein nicht glaubt. Sich nackt vor dem Spiegel zu stellen und „ich bin schlank“ zu sagen, lässt unseren Schweinehund aufjaulen. Aber ich kann mich anschauen und sagen: „ich hab mich lieb, genauso wie ich gerade bin“. Denn es hat einen tieferen Sinn, warum es so weit gekommen ist, auch wenn wir ihn meist nicht verstehen. Die gute Nachricht: wir müssen nicht alles verstehen um es annehmen und loslassen zu können. Diese Erkenntnis hat mein Leben grundlegend verändert! Glauben Sie mir: es ist ein richtig gutes Gefühl nicht mehr alles erklärt haben zu müssen. Ein sehr langer Begleiter war das Motto „erst wenn ich es voll und ganz verstehe, kann ich damit umgehen“ Ich kann Ihnen sagen: genau das Gegenteil ist der Fall und es ist herrlich erleichternd!
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